Ausgearbeitete Version mit allen Formelableitungen
Die theoretischen Überlegungen der Gebrüder Koltze zur Vergleichbarkeit von Bögen sind
Nebenprodukt bei der experimentellen Entwicklung einer sogenannten
Zwillings-Armbrust, deren Geschosse nach eigenen Angaben
Geschwindigkeiten von routinemässig 200m/s und im Extremversuch
Schallgeschwindigkeit erreichen können (vgl. R.Koltze , Weltneuheit – Die Zwillings-Armbrust in dem Waffenmagazin „caliber“, Ausgabe 6/1995,p.101-102)
Ausgangspunkt der Überlegungen der Gebrüder Koltze ist die bekannte Formel für kinetische Energie E = 1/2m*v²
(E = Energie in Joule, m = Masse – in unserem Fall Pfeilgewicht in kg,
und v = Geschwindigkeit – in unserem Fall Abschussgeschwindigkeit des
Pfeils in m/s)
Die Energie, die ein Pfeil vom Bogen beim Abschuss mitbekommen hat ( = Ex), ist nur ein Teil der Gesamtenergie ( = Eg), die das Bogen-Sehne-Pfeil-System beim Aufspannen gespeichert hat.
Wenn wir Ex und Eg ins Verhältnis setzen: Ex/Eg, können wir in Prozent darstellen, welchen Anteil der Gesamtenergie ein Pfeil mitbekommen hat: z.B. Ex = 41 J und Eg = 52 J, dann ist 41/52 gleich 0,79 also 79 %.
Wir sprechen dann davon, dass ein bestimmter Bogen für diesen bestimmten Pfeil einen Wirkungsgrad von 79 % hat.
Die
kinetische Energie des Pfeiles können wir bestimmen. Wir wissen sein
Gewicht und können die Geschwindigkeit messen. Aber was ist mit der
Gesamtenergie, die im gespannten Bogen abgespeichert ist?
An dieser Stelle tritt nun der Begriff der Virtualmasse oder der virtuellen Masse = M auf den Plan. Wenn man phantasiert, der Bogen von 79 % Wirkungsgrad könnte auf wundersame Weise einen Wirkungsgrad von 100 % zeigen, also seine ganze Energie auf den Pfeil abgegeben, dann könnten wir entweder einen Pfeil gleichen Gewichts auf eine höhere Geschwindigkeit bringen oder einen schwereren Pfeil auf dieselbe Geschwindigkeit.
Ausgegangen von Ex = ½ mx*vx² phantasieren wir das Gewicht des Pfeiles mx um ein Gewicht M erhöht, und zwar genauso, dass ½ (mx + M)*vx² der Gesamtenergie Eg entsprechen soll. M ist dann eine virtuelle Größe, die als Masse vorgestellt und in g = Gramm ausgedrückt wird.
Setzen wir Ex und Eg ins Verhältnis
½ mx*vx²
_______________
½ (mx + M)*vx²
würde sich der Ausdruck für den Wirkungsgrad des Bogens auf einen Pfeil mit der bestimmten Masse mx reduzieren auf die einfache Formel
Ergebnis 1:
Wirkungsgrad eines Bogens für einen Pfeil der Masse mx
mx
________
mx + M
Wie aber können wir die Virtualmasse M ermitteln?
R. und E. Lotze schlagen folgendes einfaches Verfahren vor:
Voraussetzung ist ein „Geschwindigkeitsmessgerät, das Geschwindigkeiten zwischen 20 m/s und
200 m/s (bei Bögen wohl eher 100 m/s, Anm. webmaster) auf 0,1 m/s genau
messen kann. Dann benötigt man einen möglichst leichten und einen
mindestens fünfmal so schweren Pfeil, schießt beide mit vollem und vor
allem absolut gleichen Auszug und notiert die beiden Geschwindigkeiten
etwa eine Pfeillänge vor dem Gerät. Dann ergibt sich die Virtualmasse
aus den beiden Pfeilmassen“ (caliber 6/95, p.102) und entsprechenden Abschussgeschwindigkeiten als
(siehe auch Excel-Rechnerblatt, einfach Daten eingeben)
Ergebnis 2:
Virtualmasse M eines Bogens
ermittelt aus den empirischen Daten von 2 deutlich unterschiedlichen Pfeilgewichten m1, m2 und der jeweiligen Abschussgeschwindigkeit v1, v2 dieser Pfeile bei gleichem Auszug und gleicher Sehnenbeschaffenheit
M = (V1/V2)² * m1-m2
(Wie ist R. Lotze auf diese Formel gekommen? Ich nehme an, über die Überlegung, dass wir sowohl über das Einsetzen der Daten von Masse und Geschwindigkeit des ersten Pfeiles, als auch für die Angaben des 2. Pfeiles in die Energieformel zur Ermittlung der Gesamtenergie Eg zu demselben Ergebnis kommen müssen, d.h. es gilt
Eg = ½(m1 + M)* v1² und Eg = ½ (m2 + M)*v2²
wenn dies so ist, können wir gleichsetzen
½(m1 + M)* v1² = ½ (m2 + M)*v2²
Lösen wir die Gleichung nach M auf, kommen wir auf die oben angegebene Formel. )
Ergebnis 3:
Leerabschussgeschwindigkeit V eines Bogens
V = sqr (m1/M +1) * v1
(sqr = Wurzel aus der Klammer) Gehen wir nun davon aus, dass die Werte Virtualmasse M und Leerabschussgeschwindigkeit V für einen bestimmten Bogen – wie oben gezeigt – errechnet und bekannt sind, genügt uns das ebenfalls bekannte beliebige Gewicht eines Pfeils mx, um seine Abschussgeschwindigkeit vx mit diesem Bogen vorauszuberechnen. Wir setzen einfach an:
½ (mx +M) * vx² = ½ M * V²
und lösen nach vx, der einzigen Unbekannten, auf und erhalten:
Ergebnis 4:
Geschwindigkeitsprognose vx für einen Pfeil von bekanntem Gewicht mx bei Abschuss mit einem Bogen, von dem Virtualmasse M und Leerabschuss-geschwindigkeit V bekannt sind, bei konstantem Auszug und gleichbleibender Sehnenbeschaffenheit
vx = sqr (1/(mx/M + 1) * V
Auf einen Excel-Rechnerblatt können Sie virtuelle und empirische Daten eingeben und erhalten nach den oben abgeleiteten Formeln berechnete Ergebnisse. Wer das Excel-Programm nicht zur Verfügung hat, kann sich die Sache als statische htm-Version ansehen.